Ein persönlicher Aufschrei für mehr Mitgefühl, Liebe und echte Förderung

Ich habe es nie verstanden. Schon als Kind nicht.
Warum schauen Menschen so schnell auf das, was fehlt – und so selten auf das, was da ist?
Warum wird so oft kritisiert, abgewertet, klein gemacht?
Warum sehen wir nicht die Mühe, die dahintersteckt, das Herz, das sich bemüht?
Warum fällt es so schwer, zu loben, zu ermutigen, einfach mal zu sagen:

„Ich sehe dich. Und ich sehe, wie sehr du dich bemühst.

Ich bin in einer Welt groß geworden, in der Defizite im Mittelpunkt standen.
In meiner Familie wurde geschaut, was nicht passt. Was noch fehlt. Was falsch läuft. Und das wurde kommentiert, kritisiert, weitergegeben – von Generation zu Generation.

Schon als Kind war mir das zutiefst zuwider. Ich habe es als ungerecht empfunden. Und heute, als Erwachsene, sehe ich mit tiefer Traurigkeit, dass viele Menschen immer noch so leben – und ihre Kinder auf dieselbe Weise behandeln.
Ohne echte Wärme. Ohne unterstützendes hinsehen. Ohne richtiges Vertrauen.

Ich will das nicht.
Ich habe mich entschieden, radikal an mir zu arbeiten. Nicht, weil ich perfekt sein will – sondern weil ich anders leben will. Weil ich ein anderes Bild von Beziehung, von Erziehung, von Partnerschaft, von Menschsein leben möchte.

Ich will liebevoll fördern, nicht verletzend kritisieren.
Ich will auf das Licht schauen, nicht auf den Schatten.
Ich will ein Klima schaffen, in dem Menschen aufatmen können – und wieder glauben, dass sie gut genug sind! Dass sie Wertvoll sind! Das sie geliebt sind, so wie sie sind! ♥


Die Prägung unserer Gesellschaft – Kritik statt Wertschätzung

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Fehler mehr zählen als Fortschritt.
Wo Leistung oft erst dann gesehen wird, wenn sie perfekt ist. Gibt es das überhaupt???


Wo das Bemühen kaum gewürdigt wird, weil man sich so sehr daran gewöhnt hat, das Nicht-Gelungene in den Vordergrund zu stellen.

Diese Haltung ist tief eingebrannt – nicht nur in Familien, sondern in Schulen, im Arbeitsleben, in Beziehungen. Es ist, als hätte sich eine kollektive Brille über unsere Wahrnehmung gelegt: die Brille der Mängel.
Und so geben viele Menschen das weiter, was sie selbst erfahren haben – nicht aus Bosheit, sondern aus Gewohnheit.
Weil sie nicht gelernt haben, wie es anders geht.
Weil ihnen niemand beigebracht hat, wie heilsam es ist, jemanden zu ermutigen, statt ihn zu korrigieren.

Diese defizitorientierte Sicht formt unser Miteinander – oft unbewusst.
Ein Kind malt voller Stolz ein Bild, und statt zu sagen „Wie schön, erzähl mir, was du da gemalt hast!“, heißt es: „Warum ist der Himmel grün?“
Ein Mensch öffnet sich, erzählt von einer Entscheidung, die er getroffen hat – und statt zu sagen „Wie mutig, das anzugehen!“, hört er: „Ob das gut geht, wage ich zu bezweifeln.“

Und so wächst eine ganze Generation auf mit dem Gefühl, nicht genug zu sein.
Nicht gesehen zu werden.
Nicht geliebt zu werden – zumindest nicht so, wie man ist.

Zwischen Prägung und Widerstand – Mein Weg zu einem anderen Blick

Auch ich bin in dieser Welt aufgewachsen. In einem Umfeld, das von Erwartungen, Bewertungen und Kritik geprägt war. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man nicht gesehen wird – nicht für das, was man ist, sondern nur für das, was man vermeintlich falsch macht.

Und ja, diese Prägung wirkt nach.
Ich wäre nicht ehrlich, wenn ich sagen würde, ich hätte sie komplett hinter mir gelassen. Es gibt Momente, in denen ich selbst noch auf das Defizit schaue.
Aber ich erkenne es – und ich arbeite radikal an mir.
Weil ich tief in mir spüre: Ich will das nicht weitergeben. Nicht an meine Kinder. Nicht an meinen Partner. Nicht an meine Klient*innen. Nicht an diese Welt.

Ich will ein anderes Bild leben.
Ein anderes Miteinander.
Ich will Menschen fördern, nicht formen. Ich will sehen, was da ist – nicht, was fehlt.

Diese Entscheidung ist kein leichter Weg.
Sie bedeutet, sich selbst immer wieder ehrlich zu begegnen.
Alte Muster zu durchbrechen, wo andere sie als normal empfinden.

Sie bedeutet, gegen den Strom zu denken – aber mit dem Herzen zu fühlen.

Und mit jedem kleinen Schritt spüre ich, wie viel sich verändert.
In mir.
In meinen Beziehungen.
In dem Raum, den ich anderen Menschen öffne.

Exkurs: Warum unser Gehirn zuerst das Negative sieht

Es ist kein persönliches Versagen, dass wir Menschen oft zuerst das Schlechte sehen – es ist ein uralter Schutzmechanismus unseres Gehirns.

Die Neurowissenschaft nennt das Negativity Bias: eine Tendenz, negative Reize stärker zu gewichten als positive. Warum? Weil in der Evolution das Überleben oft davon abhing, potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen. Wer den Säbelzahntiger übersehen hat, hatte keine zweite Chance.

Das bedeutet: Unser Gehirn speichert negative Erfahrungen nicht nur schneller, sondern auch intensiver. Kritik brennt sich tiefer ein als Lob. Ein herablassender Blick wirkt länger nach als ein freundliches Wort. Und genau deshalb müssen wir bewusst gegensteuern, wenn wir eine Kultur der Wertschätzung leben wollen.

Heute sind wir selten in akuter Lebensgefahr – aber unser Gehirn reagiert auf emotionale Bedrohungen (z. B. Ablehnung, Kritik, Konflikte) noch immer mit dem gleichen Alarmmodus wie vor Tausenden von Jahren. Das führt dazu, dass wir Mängel sehen, bevor wir das Bemühen erkennen. Fehler suchen, bevor wir den Mut ehren.

Doch das Gute ist: Neuroplastizität – also die Fähigkeit unseres Gehirns, sich zu verändern – erlaubt uns, neue Wege zu gehen. Wenn wir beginnen, den Fokus auf das Positive zu richten, stärken wir neue neuronale Netzwerke. Lob, Anerkennung, Mitgefühl – all das verändert nicht nur unser Denken, sondern auch unsere Beziehungen und unser Selbstbild.

Genau deshalb ist es kein Wunder, dass viele Menschen automatisch im Mangel sehen – aber es ist auch keine Entschuldigung, dort stehenzubleiben. Wir können entscheiden, anders zu leben.

Und genau diesen Weg möchte ich gehen.

Warum Menschen aufblühen, wenn man sie liebt….

Es ist ein Gesetz des Lebens – so schlicht und doch so tiefgreifend:
Was wir nähren, das wächst.
Was wir mit Liebe betrachten, beginnt sich zu entfalten.
Und das gilt für Menschen genauso wie für Beziehungen, Träume oder Lebenswege.

Ein Mensch, der gesehen wird, beginnt sich selbst zu sehen.
Ein Mensch, dem man zutraut, sich zu verändern, beginnt zu glauben, dass Veränderung möglich ist.
Ein Mensch, der spürt: „Ich werde nicht bewertet, sondern begleitet“, der öffnet sich, der wächst, der wagt neue Schritte.

Liebevolle Präsenz ist kein naives Schönreden.
Es ist die tiefste Form der Begleitung.
Sie sagt nicht: „Alles ist gut.“
Sondern: „Ich sehe, dass es nicht leicht ist – und ich glaube an dein Potenzial, daran zu wachsen.“

Wenn wir unseren Blick auf das richten, was gelingen kann, statt auf das, was schiefläuft, verändern wir nicht nur die Beziehung zu anderen – wir verändern die Welt, in der wir leben.
Dann werden Erziehung und Partnerschaft zu einem Raum, in dem Menschen sich entfalten dürfen.
Dann wird Entwicklung möglich – nicht aus Angst, nicht aus Druck, sondern aus Vertrauen.

Das ist es, woran ich glaube.
Und das ist es, was ich leben will – jeden Tag ein bisschen mehr.
In meinem Beruf. In meiner Familie. In meiner Partnerschaft.
Und vor allem: in meinem Herzen.

Ein liebevoller Blick verändert alles

Ich wünsche mir eine Welt, in der wir einander wieder zutrauen, gut zu sein.
Eine Welt, in der wir nicht reflexhaft kritisieren, sondern bewusst würdigen.
Eine Welt, in der wir lernen, uns selbst und andere mit einem wohlwollenden Blick zu sehen – auch dann, wenn nicht alles perfekt ist.

Vielleicht beginnt es genau dort:
Im Alltäglichen.
Im Gespräch mit dem Kind. Im Zuhören mit offenem Herzen. In einem „Ich sehe, wie du dich bemühst.“
In der Entscheidung, heute ein kleines bisschen weniger zu bewerten – und ein kleines bisschen mehr zu ermutigen.

Weil alles aufblüht, wenn man es liebt.
Und weil genau darin so viel Heilung liegt – für uns selbst und für diese Welt.